Wenn man so lange krankgeschrieben ist, fehlt vor allem eins: Struktur.
Ohne Verpflichtungen, ohne viel Kontakt zur „Außenwelt“, ohne Erwartungen, die jemand an einen stellt, kann die Zeit Zuhause ganz schön öde werden. Und vor allem als Autist ist eine gewisse Struktur notwendig.
Die ersten 3 Wochen der Krankschreibung waren aufgrund der Ungewissheit schon komisch. Man fühlte sich gesund und wusste aber, dass man es nicht war. Es war ein wenig wie am Strand zu stehen wissend, dass ein Tsunami auf einen zurollt. Außerdem waren in dieser Zeit keine weiteren Arzttermine o.ä. – man hatte die Zeit komplett für sich. In der konkreten Situation furchtbar…
Als die OP durch und ich wieder zu Hause war, prägten Arzttermine und Besorgungen den Alltag. Wochenende war immer dann, wenn nichts war… Es gab die Vorbesprechung für den Port, dann Port OP selbst, die Vorbesprechung für die Chemo, vorab noch Verlaufskontrolle für die Brustnarbe usw. Frisörtermin (lange Haare ab – fallen ja eh aus) und Kleidung, die man gehandicapt noch an und aus bekommt kaufen bzw. mit der bei der Chemo gut der Port erreicht werden kann. Und die Krankenfahrten mussten beantragt und organisiert werden.
Ab der Chemo gaben die dadurch bedingten Termine die Struktur. Dazu kamen nun auch Lymphdrainagen, die nötig sind aufgrund der fehlenden Lymphknoten und Physiotherapie für die Armbeweglichkeit. Zuerst kamen die Physios noch zu mir nach Hause, da an Autofahren noch nicht zu denken war. Ich begann außerdem mit „Sport“. 3 Ortschaften weiter gab es ein Angebot „Onkofit“ speziell für krebskranke Menschen in Therapie. Die Gruppe war bunt gemischt und ich senkte natürlich den Altersschnitt etwas. Hier hatte man auch viele Austauschmöglichkeiten, bekam Tipps usw. Ich sah, dass man auch mit fortgeschrittenem Krebs, also Metastasen, noch lange gut leben kann. Dies half mir und hilft mir immer noch. Zwar sind inzwischen 2 liebe Sportkolleginnen verstorben (in ähnlichem Alter, wie ich), aber die beiden hatte es auch hart erwischt und sie haben die Ärzte ob der verbleibenden Zeit Orden Lügen gestraft. Das sind die Momente, wo man dann doch manchmal ins Grübeln kommt…
Ansonsten suchte ich mir etwas zu tun. Ich kaufte mir ein Malbuch für Erwachsene und Stifte und ich begann mit dem Häkeln. Als motorisch unterbelichteter Mensch mit an sich wenig Geduld waren das echte Herausforderungen. Gehäkelt hatte ich zuletzt gezwungenermaßen in der Grundschule. Allerdings hatte meine Oma da echt ein Händchen für und sogar für diverse Basare/Weihnachtsmärkte viel gehäkelt, meistens Topflappen. Die Teile sind unverwüstbar und sehen aus, wie „richtig“ gekauft. Kurzum: sie konnte super häkeln. Vielleicht ist da doch ein bisschen abgefärbt.
Da bei mir ein bisschen „Chemobrain“ aufzog, habe ich noch eine Gehirnjogging App installiert und intensiv trainiert. Auch das war sicherlich eine gute Investition und hat die Zeit gut vertrieben.
Trotzdem musste man sich die Struktur selber bauen. Arzttermine und abends das Fernsehprogramm schufen ein gewisses Raster, das gefüllt werden konnte.