Vielen ist bereits bekannt, dass die Wahrnehmung von Geräuschen oft ein großes Thema bei Autisten ist. Weniger bekannt sind die einzelnen Ausprägungen und Formen davon, die natürlich auch ohne Autismus auftreten können. Heute geht es um…

… Misophonie, ein Thema, das mich immer mehr beschäftigt, weil es sich immer weiter verschlimmert.
Was genau ist Misophonie, bzw. was ist sie nicht?
Eine simple Geräuschempfindlichkeit bei bestimmten Geräuschen kennt vermutlich jeder, bspw. auf der Tafel quietschende Kreide oder eine auf dem Teller kratzende und quietschende Gabel. Das ist allerdings noch keine Misophonie sondern eher normale Irritation.
Misophonie ist auch keine Abneigung gegen Lärm, auch nicht, wenn dieser bereits deutlich eher als bei anderen Menschen als unangenehm oder gar schmerzhaft empfunden wird. Dies fällt unter den Begriff Hyperakusis und ist auch eine verbreitete Problematik unter Autisten. Auch ich würde mich durchaus dazu zählen mittlerweile.
Als Kind litt ich auch an einer Phonophobie, was der Begriff für die Angst vor bestimmtem Geräuschen ist. In meinem Fall waren das zunächst auch so etwas wie Staubsauger, aber insbesondere auch tiefe Männerstimmen. Staubsaugergeräusche zählen zwar nach wie vor nicht zu meinen Favoriten, aber ich habe keine Angst mehr davor. Tiefe Männerstimmen finde ich inzwischen eher interessant, denn irgendwie bedrohlich.
Misophonie dagegen bedeutet übersetzt aus den griechischen Ursprüngen „Hass auf Geräusche“. Es geht darum, dass bestimmte Geräusche als ein Reflex eine emotionale – und dadurch auch körperliche – Reaktionen auslöst. Dies ist auch unabhängig von der Lautstärke. Wenn ein Misophoniker sein Triggergeräusch hört, kann er das, was dann mit ihm passiert, nicht mehr kontrollieren (eben weil es ein Reflex ist). Es entsteht sofort so etwas wie Wut, Ekel, manchmal sogar Hass und alles verbunden mit Fluchtgedanken. Der Hass ist natürlich nicht gegen die Person gerichtet, die das Geräusch auslöst, zumindest nicht an sich. In dem Moment, wo das Geräusch besteht, allerdings schon irgendwie, einfach weil es in dem Moment nicht zu trennen ist.
Körperliche Reaktionen sind mit angespannten Muskeln, Herzrasen, Unruhe, usw. eben die typischen Reaktionen, die bei Wut und Flucht entstehen.
Leider ist auch Misophonie noch recht neu und unbekannt/unerforscht. Denn ich leide daran bereits seit ich ein Kleinkind war.
Wie äußert sich die Misophonie bei mir?
Meine Triggergeräusche sind nahezu alle Schlaf- sowie Ess-/Trinkgeräusche. Innerhalb dieser gibt es einige, die mich mehr triggern, als andere. Schnarchen gehört allerdings nicht dazu. Das ist nur so nervig. Besonders schlimme Schlafgeräusche sind ganz feine Blubb Geräusche, wenn mit leichtem Knacken die Lippen auseinander gehen (Geräusche schriftlich beschreiben ist Mist). Danach folgen schmatzen, schnaufen, schweres Atmen. Ich weiß, dass mich das als Kind schon betroffen hat, weil ich bei Übernachtungen im Kindergarten immer den Fluchtgedanken umgesetzt habe trotz großer Müdigkeit, und mit den Worten „die atmen so laut“ ein anderes Plätzchen gesucht habe. Auch in Urlauben, wenn ich nicht alleine im Zimmer geschlafen haben, waren manche Nächte eine Herausforderung. Bei Ess-/Trinkgeräuschen läuft es auf Schmatzen gefolgt von lautem Kauen und starken Schluckgeräuschen hinaus (z.B. wenn jemand eine Flasche Wasser ganz durstig herunterstürzt).
Die Reaktion ist bei mir, dass sich alle Muskeln anspannen (insbesondere Faust und Kiefer), mir übel wird und sich mein Herzschlag erhöht. Ich versuche sofort, dass Geräusch zu stoppen oder zu übertönen – oder eben vor dem Geräusch zu flüchten. Es ist natürlich besonders „doof“, wenn z.B. mein Mann diese Geräusche verursacht.
Was tut man dagegen?
Das ist eine sehr gute Frage. Wir bereits weiter oben beschrieben, ist das Thema noch wenig erforscht. Aktuell gibt es dafür keine Heilung. Durch unterschwellige Gewöhnung soll man Verbesserungen erzielen können. Das werde ich auf jeden Fall ausprobieren. Ansonsten hilft nur, beim Umfeld für Verständnis zu werben und/oder Noise cancelling Kopfhörer aufzusetzen.
Das mit dem „für Verständnis werben“ ist allerdings wirklich schwierig, da sich derartige Geräusche nicht immer vermeiden lassen und es oft als persönliche Abneigung oder Angriff gesehen wird, was es natürlich nicht ist. Auf der anderen Seite ist es auch nicht schön, mit Kopfhörern z.B. am Esstisch zu sitzen. Noch schwieriger sind Schlafgeräusche: selbst für mein Ohr angefertigte Stöpsel helfen nicht – Trigger höre ich immer. Am besten helfen getrennte Schlafzimmer – auch nicht schön.
Fazit
Es ist definitiv eine blöde Situation, insbesondere als Autist, in oftmals geselligen Situationen (wie dem gemeinsamen Essen) auf Trigger zu stoßen. Dies und den Reflex zu erklären ist oft nicht schwieriger, da allgemein angenommen wird, man sei einfach zu empfindlich oder könne sich Mal zusammen reißen.
Ich hoffe auf weitere Forschung. Und werde sehen, ob ich selbst eine Art Entwöhnung starten kann.