Diese Frage habe ich schon öfter gelesen, von anderen Menschen im direkten Gespräch gehört und mir selbst auch unzählige Male gestellt. Und ich glaube, es gibt auch ein Buch, das diesen Titel trägt (oder das mit diesem Satz beginnt).

Meiner Kommunikation sowohl mit anderen Autisten, als auch mit neurotypischen Personen entnehme ich, dass insbesondere Autisten oder von der sozialen Norm abweichende Menschen sich diese Frage stellt, oft zusammen mit der Frage „wann bin ich eigentlich erwachsen“?
Mir selbst ging es jahrelang auch so. Ich hatte immer meine Idee eines idealen Lebensverlaufs im Kopf, der durch Beobachtung anderer entstand. Meine Freunde aus der Schulzeit amüsieren sich gelegentlich, dass ich von uns allen die klarsten Vorstellungen von meinem künftigen Leben hatte und sich diese nach und nach auflösten oder umkehrten.
Für mich selbst hatte ich meine Eckpunkte, ab denen ich dachte „ja, wenn du DAS erreicht hast, DANN fängt bestimmt das Leben so richtig an“. Das Ganze wiederholte sich unzählige Male, ohne, dass es sich je erfüllte.
Ich nehme an, dass wir Autisten generell Schwierigkeiten haben, Vorstellungen von völlig unbekannten Ereignissen zu bilden. Das emotionale Durchdringen, der emotionale Hintergrund und die Motivation von Lebensereignissen fällt schwer. Ja, ich wusste auch mit 18, dass, wenn ich jemanden heirate, ich dann mit dem zusammenlebe, usw. Aber wie sich das im Alltag so gestaltet, wie es sich anfühlt – darüber habe ich mir wenig Gedanken gemacht oder konnte es mir nur sehr rudimentär vorstellen. Ebenso stellte ich es mir wesentlich spektakulärer vor, das Diplom zu machen und in einem „akademischen Beruf“ zu arbeiten.
Vielleicht hat das dazu beigetragen, dass ich nie das Gefühl hatte, mental erwachsen zu sein. Vielleicht kommt es auch daher, dass mich – wie bei Kindern auch – die kleinen Dinge zufrieden machen, oder dass ich so viele Ideen im Kopf habe und dass immer neue dazu kommen.
Was mir allerdings neulich auffiel ist, dass das Gefühl „wann fängt eigentlich das Leben an“ irgendwie weg ist. Ich kann nicht einmal sagen, seit wann. Seit dem Krebs? Seit ich nicht mehr arbeite? Irgendwie in diesem zeitlichen Rahmen wird es wohl verloren gegangen sein – ohne, dass ich es vermisse. Es ist eher das Gefühl, angekommen zu sein, eine eigene Basis gefunden zu haben. Erwachsen werde ich mich vermutlich nie fühlen. Muss ich aber auch nicht – im Gegenteil. Eigentlich ist es so ganz schön. Und ich habe die Vermutung, dass es z.B. meinem Opa auch mit 100 Jahren noch ein bisschen so geht.
Vielleicht macht der Krebs einen gewissermaßen „lebendig“. Na merkt ja oft erst, was man an etwas hat, wenn es in Gefahr oder nicht mehr da ist. Bleibt nur die Frage: was macht man draus? Aber auch diese Antwort muss sich wohl jeder selbst beantworten.
Ich habe sheinbar ein Kleidungsstück, das das symbolisiert. Ein Kleid. Ein langes Kleid in einer anderen Farbe als schwarz.
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Und das hast du für besondere Gelegenheiten, die nicht kommen?
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Na, doch, die kommen. Jede Woche Samstag. Und Feiertage. Und Sommer. Es geht auch um den ganzen Kleidungsstil – fraulicher. Und ich denk, dass auch bessere Zeiten kommen.
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