Aufgrund der bei der Brustkrebs-OP mit entfernten Lymphknoten in der Achsel, hat sich einige Monate später…
… ein Lymphödem entwickelt. Ich berichtete darüber hier und hier.
Natürlich bringt dies immer wieder mal Einschränkungen mit sich, die man zunächst gar nicht so auf dem Schirm hat.
Die auf einschlägigen Webseiten und in Broschüren genannten Punkte à la „Messer, Gabel, Schere, Licht…“ sind klar und allen bekannt, also
- keine Schnippelarbeiten in der Küche
- kein Ausräumen der Spülmaschine
- keine Arbeit im Garten, wo man sich bei pieksen oder verletzen kann
- Insektenstiche vermeiden
- nichts Heißes und Kaltes anfassen
- nicht in die Sonne
- nicht in die Sauna
- keine einengende Kleidung
- keine Verletzungen
- keine Blutentnahme, Spritze oder Blutdruck messen
- möglichst keinen Rucksack oder Tasche tragen
- maximal 5kg Belastung des Armes
Soweit, so easy. Denkt man.
Dann möchte man z.B. eine neue Jacke kaufen und stellt fest, dass in der eigentlich richtigen Größe M keine der Vorstellung entsprechende Jacke aufzutreiben ist, in die der bestrumpfte Arm hinein passt. Schlussendlich nimmt man dann eine, die man eigentlich nicht wollte und die in L auch eigentlich zu groß ist, aber der Arm muss ja irgendwie mit rein. Man trägt also wieder „Sack“. Ähnliches kommt auch bei Tops, Blusen, Shirts, Unterhemden und auch im Sanitätshaus bei der Wahl der „Epithesenfixierung“ vor. Letzteres ist übrigens der offizielle Begriff für einen BH wo eine Brustprothese eingeschoben werden kann 🙃🙂 Vieles könnte ich mindestens eine Nummer kleiner tragen, wäre da nicht das Lymphödem.
Ein anderes Problem ist die Freizeitgestaltung. Ich habe während der Chemo das Häkeln begonnen – mit erstaunlichen Ergebnissen. Aber ein halbes Jahr später, mit Lymphödem, konnte ich das schon wieder vergessen. Es wäre an sich möglich, aber gegen den Druck des Handschuhs sind feinmotorische Dinge oder längeres Halten quasi unmöglich. Ohne Handschuh im Prinzip auch, weil dann die Hand dick wird. Und auch bei anderen Hobbies aus dem Bereich Garten, Bastelarbeiten, etc stellt sich oft die Frage „geht das überhaupt?“ Selbst beim Unkraut zupfen kann man an einem Busch hängen bleiben mit dem Arm oder greift trotz Handschuhen in etwas spitzes, das sich durch den Handschuh bohrt. Auch meine kleine süße Heckenschere zu halten (ein Leichtgewicht an sich) ist gegen den Druck von Armstrumpf und Kompressionshandschuh schwer (und darüber sind noch Latex Handschuh und Arbeitshandschuhe).
Bevor ich mir wieder ein Klavier zugelegt habe, war ich mir auch nicht sicher, ob das so gut ist mit der Hand bzw. für die Hand. Das Spielen geht allerdings auch mit Kompression ganz gut, nur beim Hand weit aufspreizen wird es sehr schwer. Allerdings ist Klavier spielen auch ohne Handschuh machbar. Es fördert sogar den Lymphabfluss, habe ich das Gefühl. Zeichnen ist auch okay, aber nicht zu lange am Stück und mit Armstrumpf ist auch höchstens skizzieren drin.
Ähnliche Überlegungen gibt es tatsächlich auch bei der Auswahl von Rezepten für das Kochen: „bekomme ich das mit dem Arm wirklich ausgerollt/platt gedrückt“, „das ist zu schwer zu schneiden, das geht nicht“, usw.
Im Bereich Sport ist es naturgemäß noch schwieriger. Generell ist die Empfehlung, nichts zu tun, was Stürze auf den Arm zur Folge haben könnte (was grundsätzlich eigentlich das ganze Leben beträfe, aber nun ja…): Kein Skaten, kein Abfahrtsski, usw. Eigentlich nichts was als „Risikosportart“ oder „Sport mit Sturzgefahr“ gilt. Ich persönlich finde allerdings dann auch Radfahren ungeeignet, so konsequent sollte man dann ja auch sein.
Kampfsport bzw. Kontaktsport ist generell ein Problem. Mich würde ja Karate interessieren, aber ohne Kontakt kann man zwar Katas laufen, aber keine vollständige Gurtprüfung machen.
Alle Rückschlagspiele wie Tennis, Squash, Badminton und Tischtennis fallen auch raus. Tischtennis würde ggf. noch am ehesten klappen, aber die plötzlichen, reißenden Armbewegungen sind an sich auch zu vermeiden. Ähnliches gilt für das Golfen.
Im Prinzip ist also verboten, was Spaß macht..
Zuerst war ich auch beim Nordic Walking skeptisch, denn die Stöße beim Aufsetzen der Stöcke gehen auch in den Arm, allerdings ist es tatsächlich so, dass durch die gleichmäßige und runde Bewegung, das Öffnen und Schließen der Hand und der wiederkehrenden kurzen Muskelanspannung im Arm sogar eine entstauende Wirkung entsteht.
Beim Krafttraining muss man zwar mit den Gewichten aufpassen, aber auch das ist natürlich möglich in einem gewissen Rahmen. Yoga ist ebenfalls kein oder kaum ein Problem.
Beim Schwimmen wird das Altdeutsche Rückenschwimmen als bester Schwimmtstil genannt, aber auch Brustschwimmen ist machbar. Bei allen anderen Stilen wird der Arm zu sehr geschleudert.
Natürlich wirkt sich das auch auf sonstige Aktivitäten aus – Kletterwald u.ä. Dinge sind zwar echt interessant, aber schlicht nicht wirklich gut oder machbar. Auch die Wahl des Urlaubs richtet sich ein Stück weit danach, denn was hilft es, wenn da solche Angebote sind, ich sie aber nicht nutzen kann?
Und zu guter Letzt:
Manchmal ist auch echt Planung erforderlich was das Waschen der Armstrümpfe angeht. Es gibt leichter und schwerer anzuziehende. Ich bevorzuge, nach der Lymphdrainage die leichter anzuziehenden, damit mein Physiotherapeut mir nicht helfen muss, nun in Zeiten von Corona. Die leichter Anzuziehenden kann mein Mann dann nochmal richtig ausrichten, wenn ich zurück bin. Das heißt aber auch, dass zur richtigen Zeit die richtigen Strümpfe trocken sein müssen. Es muss auch immer jemand zum Anziehen verfügbar sein.
Unterm Strich hängt also auch im Alltag mehr davon ab, als es sich auf den ersten Blick bei den einschlägigen Informationen darstellt.
Trotz allem bin ich nach wie vor der Meinung, dass die Entscheidung, alle Lymphknoten der Achsel loszuwerden, die richtige war. Wer weiß, wie weit es einzelne Zellen schon in kleinere Lymphknoten geschafft haben, ohne dass man es schon nachweisen konnte? Ich kann so deutlich beruhigter (wenn auch nie sicher) sein. Und das hat eben seinen Preis.