Neulich berichtete mein Physiotherapeut, dass sein bester Freund Asperger-Autist ist. Ich ertappte mich selbst dabei, dass mir ein „das ist unerwartet“ …
durch den Kopf schoss (zeitgleich zu „ach guck an – uns gibt es überall“). Nur – warum ist es unerwartet, selbst für mich?
In meinem Fall war es wohl aufgrund der Tatsache, dass es prozentual weniger Autisten gibt. Je nach Alter sind außerdem durchaus viele auch noch unwissend über ihre Disposition – einfach, weil Asperger-Autismus in der Kindheit noch überhaupt nicht bekannt war.
Für andere ist aber eventuell auch die Tatsache, dass ein Autist zum „besten Freund“ taugt unerwartet. Und das ist ein bisschen schade, finde ich.
Natürlich sind Autisten oftmals „komisch“, schwierig oder sonstwie aus der Norm fallend. Trotzdem haben „wir“ häufig viele positive Eigenschaften:
- Ehrlichkeit
- Gewissenhaftigkeit
- wenig Vorurteile
- Hilfsbereitschaft
- nicht nachtragend
- geben wenig auf Statussymbole und Äußerlichkeiten
- Hartnäckigkeit
- Faktenwissen
- Akzeptanz anderen gegenüber
- fehlende Hintergedanken/ Manipulation
- gutes Gedächtnis
- tiefgreifende Gespräche statt Smalltalk
Diese Eigenschaften sind natürlich individuell. Jeder Mensch – sogar Autisten 😉 – ist einzigartig. Dennoch beobachte ich die genannten Eigenschaften bei vielen mir bekannten Autisten, sodass sie möglicherweise tatsächlich zur vorsichtigen Verallgemeinerung taugen.
Man erlebt sicherlich allerhand kuriose Dinge mit einem Autisten als Freund, vielleicht auch mal eine peinliche Situation. Es gibt bestimmt auch gelegentlich Missverständnisse, ausgelöst durch anders gemeinte Aussagen oder gemeinhin bekannte Formulierungen, die Autisten oft nicht verstehen. Ich habe auch schon erlebt, dass die Aufrechterhaltung des Kontakts eine einseitige Geschichte werden kann – was aber so gut wie nie an mangelndem Interesse liegt, sondern eher an den allgemeinen Hürden der Kommunikation ohne ganz konkrete Anliegen. Das alles sind natürlich Stolpersteine.
Dafür kann man sich aber auch beinahe sicher sein, dass der autistische Freund tatsächlich an der Person interessiert ist und dass man ihn/sie nicht so leicht wieder los wird. Auch zuhören können die mir bekannten Autisten gut und ich glaube, ich auch. Die Antworten auf geschilderte Probleme sind zwar manchmal etwas holprig oder unerwartet, aber sie werden wohl immer getrieben sein vom echten Wunsch, zu helfen und ein Problem zu lösen.
Wer authentischen, ehrlichen Kontakt zu schätzen weiß und über manchmal unpassend erscheinende Randerscheinung hinwegsehen kann, ist mit einem Autisten als Freund gut beraten.
Das Problem ist ja leider immer das in den Kontakt kommen. Bei meinem Mann war es ein Nachbarskind, bei mir die Tochter der besten Freundin meiner Mutter, später eine Mitschülerin dessen Mutter mit meiner Mutter befreundet war. Bei meinem Großen war es ein Kind im Kindergarten und quasi fast Nachbar. Auf der neuen Schule ein unvoreingenommenes Kind und später das „Outing“. Mitläufer, Anhängsel, wertvoller Freund 😉 Wichtig ist ein Verbindungsglied.
Von alleine hat es z.b. bei meinem Sohn nicht geklappt, weil er Fragen wie „Spielst du mit“ als Frage zum aktuellen Stand auffasste. Logische Antwort: „Nein“ Denn in dem Moment spielte er ja nicht mit und so mit verschwanden die Kinder wieder.
Es bedarf leider oft offene, unvoreingenommende Menschen, welche sich Zeit nehmen. Dieser Faktor ist leider rar gesäät. Doch wer sich darauf einlässt hat ein Leben lang einen loyalen Freund.
Liebe Grüße vom Schokodil
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Ja, da hast du recht. Dazu habe ich mich ja neulich schon in einem Beitrag ausgelassen. Freunde finden war bei mir auch schwer…
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