Ich erwähnte neulich in einem Beitrag, dass ich zwischendurch auf Anraten der Ärzte – und auch, weil ich es zumindest versuchen wollte – beim Psychoonkologen war.
In den Tagen nach der OP war ich in der Klinik bereits einmal kurz bei der Psychoonkologin. Damals kam noch einmal die Befürchtung auf, dass mein (damals-noch-nicht-) Mann „ich werde dich auch mit nur einer oder keiner Brust lieben“ vielleicht nur gesagt hat, um mich zu beruhigen oder dass er das vielleicht wirklich vorher dachte, es dann aber doch irgendwie abstoßend findet. (Anmerkung: Da er mich dann ja 3,5 Monate später geheiratet hat, war dies offenbar unbegründet…)
Das Gespräch mit der Psychoonkologin war nett – aber eigentlich hat sie auch nur gesagt, was ich mir selbst auch schon dachte. Also sowas in Richtung „ja, okay, was wenn es so wäre, aber was, wenn es wirklich so ist, wie er sagt?“ usw. Jedenfalls war ich hinterher genauso schlau und im Unklaren und musste abwarten. Nichts für Autisten, die im Vorfeld schon alles genau wissen wollen…
Es nährte zumindest meinen Verdacht, dass ich als Aspie vermutlich bei „normalen“ Psychotherapeuten (und -onkologen), die sich nicht mit Autisten oder sogar speziell erwachsenen Autisten auskennen, eher falsch bin.
Im Vorfeld der Reha war dieses ganze „Psychogequatsche“ (soll nicht despektierlich sein, aber ich sehe es nach wie vor so) auch meine größte Sorge. Ich kann nun einmal nicht ausdrücken, ob oder was ich fühle – weil ich ich die Gefühle überhaupt nicht unterscheiden kann und sie daher nicht benennen kann, oder weil ich mir keinen Kopf um das spezielle Thema mache, oder weil ich Situationen anders erlebe und benenne und daher andere Gefühle dabei habe, oder weil sich ein Gefühl anders äußert. Zum Glück ist die Psychologin in der Rehaklinik sofort beim Fragebogen auf meinen Hinweis mit dem Autismus angesprungen, hat mir den Zettel weggenommen, mit mir kurz im Nebenraum gesprochen und mich von weiteren Psychoeinheiten befreit, weil das alles Gruppenangebote waren. Ich hätte auch ein Einzelgespräch haben können, aber ich wusste nicht, wofür – es ging mir ja gut.
Das Wort „Anpassungsstörung“ kam dann erst im Herbst auf, als mein Arbeitsvolumen doch nicht so machbar war, wie gedacht. Das wollte ich nicht so recht akzeptieren, denn ich hatte schließlich einen Plan, also einen Film im Kopf, wie das alles zu laufen hat und das ging nun aber nicht. Ich habe es dann also doch mit dem Psychoonkologen versucht und rief die Nummer von der Karte aus dem Krankenhaus an. Allerdings landete ich bei einem Mann und ließ mir bei ihm einen Termin geben. Zum ersten Termin kam mein Mann mit und erst da erzählte ich das mit dem Autismus. Der gute Mann hatte gewisse Regeln (bezüglich Absagen der Termine, bezüglich der Wortwahl, usw) und meinte, er könne sowohl locker und deutlich (also direkt) in der Art und der Sprache sein, als auch formeller. Ich persönlich bevorzuge ersteres. Aber es kam mir bereits da irgendwie komisch vor, dass jemand „so oder anders“ sein kann im Umgang mit psychisch angeschlagenen Menschen. Aber alles andere schien soweit auch zu passen und ich wurde auch auf die 4-5 Male zum „Testen, ob es passt“ hingewiesen. Schlussendlich war ich glaube ich 9 oder 10 Mal dort (verteilt auf 4 Monate), bevor mir klar war, dass es mir nichts brachte. Es gab verschiedene Dinge, die mir nicht gefielen – einige hatten mit den Rahmenbedingungen zu tun, andere mit der Person bzw Art der Behandlungsführung:
- Die Termine waren nur selten verkehrsgünstig gelegen, sodass ich oft 45 Minuten je Richtung unterwegs war. Im günstigsten Fall reichten 32 Minuten, aber das ist immer noch viel.
- Ich sollte jede Woche kommen. Zum Glück passte das terminlich nicht immer, sodass es im Schnitt eher die von mir bevorzugten 2 Wochen waren. Ich traute mich aber auch nicht, das gleich zu sagen – warum weiß ich nicht. Geht mir öfter so, man ist schließlich zur Höflichkeit erzogen und redet den Fachleuten zumindest nicht sofort rein. (Wobei ich das schon öfter mache, als die meisten Menschen – aber das klappt nicht immer.)
- Eine Absage musste bis 2-3 Tage vorher erfolgen (ich meine 48 Stunden) und das nahm er sehr genau. Wenn man noch arbeitet, diverse Arzt- und Therapietermine hat ist das zuweilen schwierig. Ich hätte dann den Termin selbst zahlen müssen. Mein letzter Termin dort war dann auch genau so: ich bin unter Zeitdruck und abgehetzt hin, musste aber eher gehen. Aber so war ich da, er konnte es abrechnen. Das bringt einem dann richtig viel…
- Der Therapeut erzählte oft Geschichten aus seinem Berufsleben (aufgrund des Alters war das auch schon eine große Sammlung). Das war zwar unterhaltsam, aber hat mir nur selten etwas gebracht, weil ich mich damit nicht identifizieren konnte.
- Er erzählte mir meistens Dinge, die ich schon wusste. Die, die mir neu waren, habe ich im Nachhinein betrachtet vorher unbewusst auch schon angewandt. Eine Methode, die eigentlich für etwas anderes gedacht war, wollte er mir eigentlich beim letzten Mal beibringen. Er hatte sich aber wohl nur den Namen aufgeschrieben beim vorletzten Mal, nicht wofür er mir das erklären wollte. Als ich ihn darauf hin wies, meinte er nur „hier steht das, also haben Sie da und da mit Probleme, sonst hätte ich das ja nicht aufgeschrieben“. Das war der Punkt, an dem ich wusste „okay, du lässt dir keinen neuen Termin geben“.
- Ich bemerkte nach einigen „Sitzungen“ schon, dass er überhaupt nicht verstanden hat, was ich unter „Panik“ und „Angst“ verstehe. Offenbar scheint es da eine mir nicht bekannte Norm zu geben, in die ich offenbar (surprise, surprise) nicht falle.
Ich ließ mir also irgendwann keinen neuen Termin mehr geben, sondern sagte ja zu „Sie melden sich wegen eines neuen Termins?“ und verschwand auf nimmer Wiedersehen. Ich weiß, dass das nicht die feinste Art ist, aber als Autist mit einem Profipsychologen zu diskutieren, der von Autismus ganz offenbar keine Ahnung hat, wollte und musste ich mir nicht geben.
Ich fühle mich ein wenig bestätigt, dass so „Psychozeug“ bei mir nicht funktioniert, gebe aber gerne zu, dass „eine Schwalbe noch keinen Sommer macht“ und ich daher nochmals einen Versuch starten könnte (falls die Krankenkasse da mitspielen würde).
Im Rahmen meiner neuerlichen Selbstüberschätzung, von der ich berichtete, habe ich daher mal geschaut, ob und wo es Psychologen gibt, die sich mit „normalen“ Themen bei Erwachsenen und Autismus auskennen – Fehlanzeige. Und ich habe noch nicht einmal konkret nach Psychoonkologen geschaut, sondern allgemein Psychologen und Psychotherapeuten.
Das Thema wird also vorerst vertagt. Falls jemand einen Tipp hat, wäre ich sehr erfreut, also immer her damit!