Arbeiten als Aspie

Vor einigen Tagen wurde ich gefragt, wie ich das denn „früher“ mit dem Arbeiten gemacht hätte. Oder generell mit Schule, Studium, Arbeit…

Schließlich gab es ja 35 Jahre vor der Diagnose.

Nun, es fiel auf, dass es sich immer irgendwie fügte, dass ich vertraute Personen dabei hatte, wenn ich neu irgendwo hin kam. Dort, wo das nicht der Fall war, gab es durchaus Probleme.

  • Kindergarten: Meine Mutter arbeitete dort, sodass sowohl sie in der Nähe war. Ich kannte aber vorher schon die Kollegen – das ergibt sich eben…
  • Grundschule: Hier hatte ich 2 Freundinnen dabei
  • OS: Das war etwas schwieriger, weil wir gerade erst in den Sommerferien vor der 5. Klasse dorthin gezogen sind. Es ergab sich aber, dass ein Junge aus meiner Kirchengemeinde, den ich dort kennengelernt hatte, mit mir in eine Klasse kam. Ansonsten war die OS Zeit schwierig und ich eher Einzelgänger. Eine einzelne kleinere Freundschaft zu einer Klassenkameradin ergab sich.
  • Gymnasium: Mit besagter Klassenkameradin kam ich in eine Klasse, wie auch mit einem netten und hilfsbereiten Jungen aus meiner Klasse zuvor.
  • Oberstufe: Darüber hatte ich bereits berichtet – das lief nicht ganz so gut das erste Jahr.
  • Ausbildung: Die Ausbildung machte ich im Unternehmen, in dem mein Vater arbeitete und einer meiner besten Freunde (über 10 Jahre älter, als ich)
  • Studium: Der Start war schwierig. Aber ich war in meiner Heimatstadt, wohnte Zuhause und kannte die Umgebung – das war das Gute.
  • 1. Praxissemester: in der Abteilung, in der mein Vater arbeitete
  • 2. Praxissemester: lief weniger gut. Ich kannte dort niemanden. So richtig ein Bein auf den Boden habe ich da nicht bekommen. Ich war anscheinend sonderbar für die anderen und umgekehrt auch.
  • 1. Job nach dem Studium: als Zeitarbeitskraft in der Abteilung meines Vaters, später in einem anderen Bereich, aber nur einen Bauabschnitt weiter im Gebäude.
  • 2. Job nach dem Studium: Das war wieder schwierig. Der erste Job, für den sich zumindest inhaltlich das Studium gelohnt hat. Andere Stadt (ich musste pendeln), alles fremd. Immerhin wohnten mein Onkel und meine Tante dort in der Nähe… In der Firma dort hörte ich auch tatsächlich den direkten Satz, dass ich komisch und abgedreht sei. Ich blieb dort nur 13 Monate.
  • 3. Job nach dem Studium: wieder in meiner Heimatstadt. Keine Pendelei. Allerdings kannte ich auch niemanden. Der Start war schwierig – ich eckte an, entsprach nicht den Erwartungen im Umgang mit den Kunden, etc. Meine Kollegen konnten nicht so viel mit mir anfangen, machten lieber Dinge ohne mich. Ihre Lebenswelt war einfach anders. Nach einem 3/4 Jahr kam ich zu „meinem“ Kunden, mit dem ich gut klar kam nach anfänglichen Problemen, und der mit mir klar kam, weil er meine Arbeit zu schätzen wusste. Ich blieb über 4 Jahre in der Firma.
  • 4. Job nach dem Studium: Ich nahm mein Projekt mit. D.h., besagter Kunde blieb, mein Arbeitsalltag änderte sich nicht. Nur mein Arbeitgeber. Dort fühlte ich mich aber nicht so wohl – es war recht hierarchisch und die Kollegen alle so anders. Für mich waren die alle voll professionell und erfolgreich und ich wurschtelte mich so durch und kam mir deplatziert vor. Nur mein Chef hielt – warum auch immer – echt viel von mir und mochte auch meinen Humor. Ich ging trotzdem nach 1,5 Jahren, nachdem man mir eine Führungsposition anbot. Das war ziemlich zeitgleich mit der Autismus-Diagnose. Ein Autist mit Personalverantwortung – welch grandiose Fehleinschätzung. Ich habe mich auch nie als Führungskraft gesehen – Mitarbeitergespräche führen, Leute ggf motivieren oder noch schlimmer, entlassen, das wäre nichts für mich. Aufgaben verteilen usw schon eher 😉
  • Mein jetziger Job: Ich ging zu der Firma, mit deren Mitarbeitern ich teilweise schon befreundet war. Wir saßen auch im selben Großraumbüro. Meinen Kunde und mein Projekt nahm ich wieder mit. Nun bin ich schon 5,5 Jahre in der Firma und fühle mich wohl. Ich falle dort wenig auf, es gibt flache Hierarchien und wenig Vorschriften. Mein Kunde verließ das Projekt vor 3 Jahren. Ich blieb als Brain Bug und bekam neue Auftraggeber, die mich meine Arbeit machen ließen und die ich quasi einarbeitete. Nachdem das Projekt beendet und ich im Folgeprojekt war (zwischendurch war ich ein Jahr raus mit dem Krebs) wurde mir besagtes Folgeprojekt zu undurchsichtig. Ich bekam nicht mehr die Informationen die ich brauchte, meine Fähigkeiten wurden nicht wertgeschätzt und was ich als „alter Hase“ riet nicht ernst genommen. Ich bat meinen alten Kunden, ob in seinem neuen Projekt Arbeit für mich ist. So wechselte ich – aber auch hier kannte ich ja bereits jemanden.

In den allermeisten Fällen waren also bekannte und vertraute Personen dabei oder in der Nähe. Dort wo es nicht so war, knirschte es immer…

Bis zu der Nachfrage war mir das selbst nicht so klar, aber es ist spannend, im Nachhinein das so zu reflektieren. Ich habe mir meine „Integrationshelfer“ immer gesucht und zumeist gefunden. Alles unbewusst, aber es funktionierte.

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