Von Fehleinschätzungen und Selbstüberschätzung

Ich erwähnte bereits im Artikel über die Wiedereingliederung, dass ich danach dank eines flexiblen Arbeitgebers mir selbst noch etwas die Zeit einteilen konnte. Dies wollte ich bis ca. September so fortsetzen.

Aber es lief nicht, wie ich dachte. Auf dem Papier und „in echt“ ist ein unterschiedlicher Schnack… Bis zum Urlaub im August dachte ich noch „ach, der Urlaub wird schon noch weitere Erholung und Besserung bringen“. Geplant (und auch umgesetzt) war ein Urlaub im Elbsandsteingebirge. Wir wollten wandern, viel draußen sein. Und Bewegung ist lt. Ärzten, der Forschung etc das Mittel der Wahl gegen Fatigue (dazu später mehr) und eine wichtige Säule in der Vermeidung eines Rezidivs. Deshalb habe ich auch parallel zu meinem Wiedereinstieg in den Job auch das Sportpensum hochgefahren. Das sollte im Urlaub Wanderungen ermöglichen.

Nun ja. Der Urlaub lief gut. Einzig mein Zahnfleisch begann zu muckeln, was mir 2 Zahnarzttermine in der Fremde einbrachte. Sonst haben wir viel gesehen und unternommen.

Nach dem Urlaub allerdings ging meine Erschöpfung weiter. Zumindest brachte er nicht den gewünschten Effekt. Ich nahm noch mehr Urlaub, bzw. Gleitzeit. Auch das Sportprogramm wurde mühsamer. Nach und nach musste ich feststellen, dass ich nicht so einfach wieder weitermachen konnte. Auch meine Ärztin sah das ganze skeptisch. Meine Kraft und meine Urlaubstage schwanden. Ich schaffte mit Mühe 20h pro Woche. An Sport und Bewegung war gar nicht zu denken. Mitte/Ende Oktober vereinbarte ich einen Termin beim Sozialverband, um Erwerbsminderungsrente zu beantragen. Mit meinem Arbeitgeber musste ich zum Jahreswechsel eine neue Arbeitszeit vereinbaren – 20h. Mehr war nicht möglich, wie die vergangenen Monate zeigten.

Ich musste meine Zeit gut einteilen. Mehr als 1 Termin pro Woche zusätzlich zu Arbeit und Lymphdrainage war bereits zu viel.

Ich musste und muss mir noch immer eingestehen, dass weder die Krebserkrankung noch die Therapie ein Spaziergang waren oder sind. Warum mich die „Keule“ erst so spät erwischte, weiß niemand so genau. Fakt ist, dass die Leistungsfähigkeit einfach nicht dieselbe ist und ich mir von Anfang an die Zeit hätte nehmen sollen um ganz langsam alles zu steigern.

Jung sein heißt vielleicht, dass man die Primärtherapie ggf. besser verkraftet, aber es heißt nicht unbedingt, dass man langfristig einfach weitermachen kann, als sei nichts gewesen, denn das ist es nicht. Die Frage ist nur, was macht man mit dieser Erkenntnis?

Werbung

Ein Gedanke zu “Von Fehleinschätzungen und Selbstüberschätzung

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s